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Добавлен: 20.12.2020
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Das Thema Schuld nimmt in Bernhard Schlinks Roman »Der Vorleser« eine herausragende Rolle ein. Die Beziehung von Hanna und Michael wirft oft die Frage nach persönlicher Schuld der beiden Beteiligten auf, die Vergangenheit Hannas als SS-Aufseherin in Krakau steht im Zeichen von Schuld und das Verhältnis der Elterngeneration, die den Nationalsozialismus erlebt hat, wird von der nachfolgenden Generation unter dem Blickwinkel von kollektiver Schuld betrachtet. So ist denn auch die Bewertung von Schuld einer der wichtigsten Aspekte der Schuldproblematik.
Dabei ist der Begriff Schuld allein schon dadurch mehrdeutig, dass er in unterschiedlichen Zusammenhängen anderes beinhaltet. (vgl. Text: Schuld)
Die beiden Hauptfiguren sind unterschiedlicher Weise "schuldig".
Hanna trägt als ehemalige SS-Aufseherin strafrechtliche, und damit persönliche Schuld durch ihre Mitwirkung bei der Ermordung von mehreren hundert Gefangenen, worüber Anklage und Urteil keinen Zweifel lassen. Dazu trifft sie auch moralische Schuld am Tod der Gefangenen.
Michael leidet unter Schuldgefühlen gegenüber Hanna, zunächst aus Verlustängsten, dann durch die Verleugnung Hannas, später im Prozess wegen seiner Erkenntnis von Hannas Analphabetismus, aber insbesondere wegen seiner Liebe zu einer NS-Täterin. Seiner Ängste und Schuldgefühle kann er sich nur mit verschiedenen Abwehrmechanismen erwehren (Betäubung).
In Bernhard Schlinks Roman »Der Vorleser« wird Schuld und die damit verbundenen Probleme in vielgestaltiger Weise vom Ich-Erzähler Michael Berg zur Sprache gebracht.
Der Ich-Erzähler reflektiert in seiner Rolle als erlebendes oder erzählendes Ich - häufig ist dies in diesem Roman kaum auseinander zu halten - über verschiedene Arten und Aspekte von Schuld.
Geht es ihm um die Darstellung seiner eigenen individuellen Schuld, die er sich seiner Überzeugung nach im Laufe der Geschichte (plot) aufgebürdet hat, dann handelt es sich um Ängste und Schuldgefühle, die ihn im Zusammenhang mit seiner Beziehung zu Hanna bis in die Erzählergegenwart hinein belasten. Schuldgefühle trägt das erlebende Ich mit sich herum, weil es sich der die Norm verletzenden Form seiner sexuellen Beziehung zu Hanna bewusst ist und sich sein religiöses Gewissen gegen "sündige Tat" (S.21) regt. Der "Verrat" an Hanna, den der Erzähler sich anlastet, lässt ihn nicht zur Ruhe kommen. Darüber hinaus muss er mit den Schuldgefühlen zurechtkommen, die ihn ergreifen, als er während des Prozesses erfahren muss, dass Hanna als SS-Aufseherin in der Vergangenheit zur Mörderin geworden war.
Wenn das erzählende Ich auf Hannas Schuld zu sprechen kommt, dann geschieht dies zum einen in Form seiner mehr oder minder objektiven Wiedergabe und rechtlichen Bewertung der strafrechtlich relevanten Fakten ausgehend von der Beweisaufnahme und bei der abschließenden Verurteilung von Hanna im Prozess zu einer lebenslänglichen Freiheitsstrafe.
Zum anderen reflektiert der Erzähler selbst über Hannas Schuld und problematisiert die Frage nach ihrer Schuldfähigkeit bzw. Mündigkeit auf dem Hintergrund von Hannas Analphabetismus.
Kollektive Schuld kennzeichnet nach Auffassung des erlebenden Ichs aber auch die Generation der Eltern des Ich-Erzählers, die entweder als Täter oder als angepasste Mitläufer - so sehen es die Studenten während des Prozesses - kollektiv mitverantwortlich waren für die Verbrechen des Nationalsozialismus. Ihre mangelnde politische Aufarbeitung der Vergangenheit erhöht in den Augen des erlebenden Ichs und seiner Generation noch ihre ethische Schuld.
Die kollektive Schuld der Tätergeneration und insbesondere die unzureichende individuelle und gesellschaftliche Aufarbeitung der NS-Vergangenheit durch die Elterngeneration "hinterlässt", so empfindet es das erlebende Ich in den Tagen des Prozesses, der nachgeborenen Generation in einem gewissen Sinne diese Schuld, womit diese aber nicht fertig werden kann.
Über diese vom Ich-Erzähler selbst thematisierten Aspekte wirft der Roman auch andere Fragen und Probleme auf, die im Zusammenhang mit der Schuldproblematik zu sehen ist. So geht es u. a. darum
nach welchen prinzipiellen Kriterien Schuld zu beurteilen ist,
ob das Bild vom Schuldigen eher seine monströse Kriminalität oder seine Verwurzelung in Normalität zeigen soll,
welchen Anteil die individuelle Schuld eines Einzelnen im Rahmen einer kollektiven Verantwortung der Schuld ausmacht,
welche generationsübergreifende Bedeutung einmal entstandene Schuld haben kann.
wie Schuld gesühnt, verarbeitet und überwunden werden kann,
Diese Fragen werden im Zusammenhang mit der Bedeutung, die die NS-Vergangenheit bis heute hat, stets aufs Neue gestellt. Anlässlich der 60. Wiederkehr des Tages, an dem im Jahre 1945 das Konzentrationslager Auschwitz befreit wurde, antworteten verschiedene Politiker, Historiker und ehemalige KZ-Häftlinge auf die Frage: "Müssen wir uns auch heute noch schuldig fühlen?". Dabei sagte z. B. die israelische Schriftstellerin Halina Birkenbaum, die selbst Auschwitz überlebt hat: "Die Deutschen sollten sich immer daran erinnern, was Deutsche mit den Juden gemacht haben. Es schmerzt, wenn heute Deutsche behaupten: ‚Das gab es nie.’ Wer zulässt, dass junge Nazis wieder ‚Heil Hitler’ brüllen, der muss sich schuldig fühlen." (aus: Stern 5(2005), S..44)
Thema zur literarischen Erцrterung:
"Wer im 'Dritten Reich' schuldig geworden ist, indem er Unrecht getan hat oder hat geschehen lassen, bleibt schuldig – wer sollte ihm vergeben und die Schuld von ihm genommen haben? Vergeben können nur die Opfer, und wenn die Opfer tot sind, kann niemand die Schuld von den Tätern nehmen. Auch die Generation der Kinder bleibt schuldig, soweit sie dadurch schuldig geworden ist, dass sie mit der Generation der Väter nicht gebrochen hat. Die Liebe der Kinder zu ihren Eltern, die Verehrung der Lehrer, Meister, Pfarrer, Professoren, Vorgesetzten und Chefs, das Lernen von ihnen, die Dankbarkeit ihnen gegenüber und die Verbundenheit mit ihnen verstricken in deren Schuld. Für die Enkel, die ihren Großeltern kaum noch persönlich begegnen, gibt es auch die Verstrickung in deren Schuld kaum noch, und die Urenkel sind von ihr frei. Was dann noch bleibt. Ist nicht mehr Schuld. Geschuldet bleiben aber die Erinnerung an die Opfer, der Respekt ihnen gegenüber und der Takt gegenüber ihren Nachfahren. (aus: Stern 5(2005), S..45)
(Bernhard Schlink, 2005)
Erцrtern Sie das dargestellte Schuldverstдndnis von Bernhard Schlink und erlдutern Sie, inwieweit es in seinen Roman »Der Vorleser«) Eingang gefunden hat.
Mit zahlreichen Reflexionen und Kommentaren nimmt der Ich-Erzähler Michael Berg in Bernhard Schlinks Roman »Der Vorleser« zum eigenen Fühlen, Denken und Handeln Stellung. Dabei kreisen seine Überlegungen sehr oft um Vorstellungen eigener Schuld, die er sich individuell aufgeladen hat oder die im als Angehöriger seiner Generation aus der NS-Vergangenheit aufgebürdet erscheint. Beides, persönlich verantwortete und zugeteilte Schuld, fügen sich zu einem Ganzen, das den Ich-Erzähler letzten Endes daran scheitern lässt, seine Schuldgefühle wirklich zu verlieren und den Zustand der Betäubung endgültig zu überwinden. Das erzählende Ich hat dabei durchaus eine Vorstellung von diesem Zustand, als es äußert: "Wie sollte es ein Trost sein, dass mein Leiden an meiner Liebe zu Hanna in gewisser Weise das Schicksal meiner Generation, das deutsche Schicksal war, dem ich mich nur schlechter entziehen, das ich nur schlechter überspielen konnte als die anderen." (S.163)
Michaels Schuld basiert auf Schuldgefühlen wegen seines Verrats an Hanna und auf seinem Schuldbewusstsein und seiner Scham über die NS-Verbrechen in der jüngeren Vergangenheit, für die er aber als Nachgeborener keine konkrete Schuld zu tragen hat. Die Schuld des Ich-Erzählers ist ein Schuldsyndrom, aus dem es nach Ansicht des Erzählers kein Entkommen gibt, denn auch seine Entdeckung der wahren Motive für Hannas wortlosen Abschied am Ende der Liebesaffäre, die ihn eigentlich vom Selbstvorwurf des "Verrats" an ihr entlasten könnte, bleibt wirkungslos. "Allerdings änderte der Umstand, dass ich sie nicht vertrieben hatte, nichts daran, dass ich sie verraten hatte, Also blieb ich schuldig. Und wenn ich nicht schuldig war, weil der Verrat einer Verbrecherin nicht schuldig machen kann, war ich schuldig, weil ich eine Verbrecherin geliebt hatte." (S.131)
Der Ich-Erzähler gibt dem Leser indes kaum weitere Anhaltspunkte, woher es kommt, dass er sich in jedem Fall einer Schuld bezichtigt. Vielleicht lässt sich dies zum Teil durch den Syndromcharakter seiner Schuldgefühle und seines Schuldbewusstseins erklären. Zum anderen können, wie Juliane Köster (2000, S. 66) zeigt, aus dem Text drei Begründungszusammenhänge entwickelt werden.
Der Ich-Erzähler solidarisiert sich in einem Identifikationsvorgang mit Hanna auf der Grundlage und als Konsequenz seiner Liebe zu ihr.
Der Ich-Erzähler verbleibt in der inferioren Komplementärposition, indem er sich weiter unterwirft und wie gewohnt klein beigibt.
Der Ich-Erzähler kompensiert damit die fehlende Einsicht Hannas in ihre Schuld. "In diesem Fall wäre das Beharren auf seiner Schuld Resultat der Abgrenzung von Hanna und Ausdruck des Wunsches ihr etwas vorzuhaben." (Köster 2000, S.67)