Файл: Otfried Preuler Krabat Das erste Jahr(первый год) Die Mhle im Koselbruch (мельница в Козельбрухе).doc
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das Häubchen lösen – приспустить чепчик
eine Locke schneiden (schnitt) – отрезать локон
einen schmalen Ring drehen – скрутить узенькое колечко
die Falten am Rock glattstreifen – расправить складки юбки
die Scholtisei – дом старосты
das Geviert – квадрат
sich drehen – крутиться, здесь: танцевать
behäbig – важно, с достоинством
sich ausnehmen wie bunte Glucken – выглядеть, словно разноцветные курицы
die Festtracht – праздничная одежда
schmächtig wirken – выглядеть хилым
sich unterhalten über – разговаривать о чем-л.
227 Die Kantorka zögerte keinen Augenblick. «Dein Leben», sagte sie, «ist mir das meine wert. Wann soll ich zum Müller gehen, dich freizubitten?» «Dies», meinte Krabat, «vermag ich dir heute noch nicht zu sagen. Ich werde dir Botschaft senden, wenn es soweit ist, notfalls durch einen Freund.» Dann bat er sie, ihm das Haus zu beschreiben, in dem sie wohnte. Sie tat es und fragte ihn, ob er ein Messer zur Hand habe. «Da», sagte Krabat. Er reichte ihr Tondas Messer. Die Klinge war schwarz, wie in letzter Zeit immer – doch jetzt, als die Kantorka es in Händen hielt, wurde das Messer blank. Sie löste das Häubchen, sie schnitt eine Locke aus ihrem Haar: daraus drehte sie einen schmalen Ring, den sie Krabat gab. «Er soll unser Zeichen sein», sagte sie. «Wenn dein Freund ihn mir bringt, bin ich sicher, dass alles, was er mir sagt, von dir kommt.» «Ich danke dir.» Krabat steckte den Ring von Haar in die Brusttasche seines Kittels. «Du musst nun zurückgehen nach Schwarzkollm, und ich werde nachkommen», sagte er. «Und wir dürfen uns auf der Kirmes nicht kennen – vergiss das nicht!» «Heißt 'sich nicht kennen': 'nicht miteinander tanzen'?» fragte die Kantorka. «Eigentlich nicht», meinte Krabat. «Es darf aber nicht zu oft sein, das wirst du verstehen.» «Ja, das verstehe ich.» Damit erhob sich die Kantorka, streifte die Falten an ihrem Rock glatt und ging nach Schwarzkollm zurück, wo inzwischen die Musikanten bereits mit der Kirmesmusik begonnen hatten. Vor der Scholtisei waren Tische und Bänke aufgestellt, im Geviert um den Tanzplatz, wo sich die jungen Leute schon fleißig drehten, als Krabat hinzukam. Die Alten saßen behäbig an ihren Plätzen und schauten den Burschen und Mädchen zu: pfeiferauchend die Männer hinter dem Bierkrug, fast schmächtig wirkend im braunen und blauen Sonntagszeug neben den Weibern, die sich in ihrer Festtracht wie bunte Glucken ausnahmen und sich bei Kirmeskuchen und Honigmilch über das junge Volk auf der Tanzfläche unterhielten: Wer da zu welcher passte, und welche zu welchem weniger oder gar nicht, und ob man denn schon gehört habe, dieser und jene würden bald heiraten, wohingegen es zwischen der Jüngsten vom Grobschmied und Bartoschs Franto so gut wie aus sei.
aufrecht – вертикально
waagrecht – горизонтально
zum Tanz aufspielen – играть музыку, зазывать на танцы
Fideln und Klarinetten – скрипки и кларнеты
die Baßgeige – контрабас
sich mit Bier laben – освежаться пивом
zum Saufen – для того, чтобы пить
wahllos und ausgelassen – без разбора и весело
ihre Augen meinten es ernst mit Krabat – ее глаза серьезно смотрели на Крабата
das Bauernweib – крестьянка
vorziehen – предпочитать
die Tenne – ток, гумно
die Mütze lüpfen приподнимать шапку
die Zipfel des Brottuches kreuzweise übereinanderknüpfen – свернуть крест-накрест кончики салфетки
prall und voll – туго набитый
228 Die Musikanten auf ihrem Podest an der Hauswand – vier aufrecht stehende leere Fässer dienten als Unterbau für die Plattform, die aus den waagrecht übereinandergelegten Flügeln des Scheunentores bestand, das der Scholta zu diesem Zweck hatte herschaffen lassen –, die Musikanten spielten auf Fideln und Klarinetten zum Tanz auf, die Baßgeige nicht zu vergessen mit ihrem Schrumm-Schrumm. Und setzten sie einmal die Instrumente ab, um sich mit Bier zu laben, was ja ihr gutes Recht war – gleich rief es von allen Seiten:, «He, ihr dort oben! Seid ihr zum Spielen oder zum Saufen da?» Krabat mischte sich unter die jungen Leute. Er tanzte mit allen Mädchen, wahllos und ausgelassen, wie es gerade kam, bald mit dieser und bald mit jener. Auch mit der Kantorka tanzte er dann und wann. Er tanzte mit ihr wie mit allen, wenngleich es ihm schwerfiel, sie andern Burschen zu überlassen. Die Kantorka hatte begriffen, dass sie sich nicht verraten durften. Sie redeten miteinander, was man beim Tanz so redet, Unsinn und Albernheiten. Nur ihre Augen meinten es ernst mit Krabat; aber das merkte nur er allein – und weil er es merkte, vermied er es, wenn es ging, ihrem Blick zu begegnen. So kam es, dass selbst die Bauernweiber an ihren Tischen keinen Verdacht schöpften; auch die Alte, die auf dem linken Auge erblindet war (Krabat entdeckte sie jetzt erst), machte da keine Ausnahme. Dennoch zog Krabat es vor, von jetzt an die Kantorka nicht mehr zum Tanz zu holen. Es dauerte ohnehin nicht mehr lang, bis der Abend hereinbrach. Die Bauern und ihre Frauen gingen nach Hause, die Burschen und Mädchen begaben sich mit den Spielleuten in die Scheune: dort tanzten sie auf der Tenne weiter. Krabat blieb draußen. Er hielt es für klüger, jetzt heimzugehen, zurück in den Koselbruch. Die Kantorka würde es schon verstehen, wenn er sie nun allein ließ. Er lüpfte zum Abschied die Mütze: da spürte er etwas Warmes auf seinem Kopf, etwas Weiches. «Lobosch!» entsann er sich. Krabat knüpfte die Zipfel des Brottuches kreuzweise übereinander. Dann stopfte er an den verlassenen Tischen Streuselkuchen hinein und Kolatschen, bis es prall und voll war.
berühren – дотрагиваться
große Zuversicht erfüllt ihn – его наполняет большая уверенность
sich außer Haus begeben – уйти из дома
die Gefahr ist im Verzug – надвигается опасность
sich anspannen – напрягаться
sich hüten vor etw. – остерегаться чего-л.
unermüdlich – без устали
fortfahren in etw. – продолжать что-л. делать
sich gegenübersitzen – сидеть друг напротив друга
ohne sich etwas dabei zu denken – не задумываясь при этом ни о чем
auf einmal – разом, вдруг
sich verdoppeln – удваиваться
jmdm. zu etw. verhelfen – помочь кому-л. получить что-л.
anstecken – засунуть, здесь: спрятать
mit etw. zu tun haben – быть связанным с чем-л., иметь отношение
Das Angebot
229 Je näher der Winter kam, desto langsamer, so erschien es Krabat, verstrich die Zeit. Von Mitte November an hatte er manchen Tag das Gefühl, als ginge es überhaupt nicht weiter. Zuweilen, wenn niemand sonst in der Nähe war, überzeugte er sich davon, dass der Ring von Haar, den die Kantorka ihm gegeben hatte, noch da war. Sobald er ihn in der Brusttasche seines Kittels berührte, erfüllte ihn eine große Zuversicht. «Alles wird gutgehen», glaubte er dann zu wissen. «Alles wird gutgehen.» In letzter Zeit kam es selten vor, dass der Meister sich über Nacht außer Haus begab. Ahnte er, dass Gefahr im Verzug war – dass hinter seinem Rücken sich etwas anspann, wovor er sich hüten musste? Krabat und Juro nützten die wenigen Nächte, um unermüdlich in ihren Übungen fortzufahren. Krabat schaffte es immer öfter, sich Juro zu widersetzen. Als sie sich wieder einmal am Küchentisch gegenübersaßen, geschah es, dass er den Ring von Haar aus der Tasche zog. Ohne sich etwas dabei zu denken, steckte er ihn an den kleinen Finger der linken Hand. Beim nächsten Befehl, den ihm Juro erteilte, tat Krabat sofort das Gegenteil: das gelang ihm so rasch und mühelos, dass es zum Staunen war. «He!» meinte Juro. «Das war ja, als ob deine Kraft sich auf einmal verdoppelt hätte – wie reimst du dir das zusammen?» «Ich weiß nicht», erwiderte Krabat. «Ob es ein Zufall war?» «Lass uns nachdenken!» Juro blickte ihn prüfend an. «Es muss etwas geben, was dir zu dieser unerwarteten Stärke verhelfen hat.» «Aber was?» überlegte Krabat. «Der Ring wird es kaum gewesen sein...» «Welcher Ring?» fragte Juro. «Der Ring von Haar da. Das Mädchen hat ihn mir mitgegeben, am Kirmessonntag. Ich hab ihn mir vorhin angesteckt – doch was sollte der Ring wohl mit meinen Kräften zu tun haben?»
ausprobieren – пробовать
spielend fertig werden mit – играючи справится с чем-л.
abziehen – снять (перстень)
jmdm. überlegen sein – превосходить кого-л.
eine Art von Zauberei – вид волшебства
aus der Tiefe des Herzens zuwachsen – вырастать из глубины сердца
begreifen – понимать, постигать
vertrauen auf etw. – доверять чему-л.
die Unruhe überkam sie – тревога охватила ее
einen Schneeball werfen – бросить снежок
jmdm. an den Kragen wollen – хотеть схватить за шиворот
das Dazwischentreten – вмешательство, разнимание
verhindern – помешать, предотвратить
sich erkundigen – осведомиться
ausweichend – уклончиво
230 «Sag das nicht!» widersprach ihm Juro. «Wir werden es ausprobieren, dann wissen wir's.» Sie erprobten den Ring, und es zeigte sich bald, dass es keinen Zweifel gab: Wenn Krabat ihn an den Finger steckte, wurde er spielend mit Juro fertig – und wenn er ihn abzog, war alles wie sonst. «Die Sache ist klar», meinte Juro. «Mit Hilfe des Ringes wirst du dem Meister auf jeden Fall überlegen sein.» «Aber wie geht das zu?» fragte Krabat. «Glaubst du denn, dass das Mädchen zaubern kann?» «Anders als wir», sagte Juro. «Es gibt eine Art von Zauberei, die man mühsam erlernen muss: das ist die, wie sie im Koraktor steht, Zeichen für Zeichen und Formel um Formel. Und dann gibt es eine, die wächst einem aus der Tiefe des Herzens zu: aus der Sorge um jemanden, den man lieb hat. Ich weiß, dass das schwer zu begreifen ist – aber du solltest darauf vertrauen, Krabat.» Am Morgen danach, als Hanzo die Burschen weckte und sie zum Brunnen gingen, sahen sie, dass es während der Nacht geschneit hatte. Weiß war die Welt geworden, und wiederum überkam sie bei diesem Anblick die große Unruhe. Krabat wusste ja nun Bescheid. Es gab auf der Mühle nur einen, der es sich nicht erklären konnte: Lobosch, der während der Zeit seines Hierseins nur wenig gewachsen und trotzdem inzwischen aus einem Jungen von vierzehn Jahren zu einem Burschen von nahezu siebzehn geworden war. Eines Morgens, nachdem er im Spaß einen Schneeball nach Andrusch geworfen hatte und Andrusch ihm an den Kragen wollte, was Krabat durch sein Dazwischentreten verhinderte – eines Morgens erkundigte Lobosch sich, was denn um Himmels willen in seine Mitgesellen gefahren sei. «Angst», sagte Krabat mit einem Achselzucken. «Angst?» fragte Lobosch. «Wovor?» «Sei froh», meinte Krabat ausweichend, «dass es dir noch verborgen ist. Früh genug wirst du es erfahren.» «Und du?» wollte Lobosch wissen. «Du, Krabat, hast keine Angst?» «Mehr als du ahnst», sagte Krabat. «Und nicht nur um mich allein.»
die Hahnenfeder flackern – колышутся петушиные перья
beschicken – засыпать, заряжать
den Bock besteigen – вскочить на козлы
klirrender Frost – трескучий мороз
vortreten – выйти вперед
rumpeln – громыхать
sich verbergen – прятаться, не показываться
in die Hitze kommen – распаляться
der Nachfolger – последователь
den ganzen Kram übergeben – передать весь хлам
231 In der Woche vor Weihnachten fuhr noch einmal der Herr Gevatter im Koselbruch vor. Die Mühlknappen stürzten hinaus, um die Säcke abzuladen. Der Fremde blieb nicht wie sonst auf dem Kutschbock sitzen: in dieser Neumondnacht stieg er vom Wagen, und hinkend begab er sich mit dem Meister ins Haus. Sie sahen die Hahnenfeder hinter den Scheiben flackern, als loderte in der Stube Feuer. Hanzo ließ Fackeln holen. Schweigend luden die Burschen das Mahlgut vom Wagen und schleppten es in die Mahlstube. Sie beschickten den Toten Gang damit, ließen das Mehl in die leeren Säcke laufen und packten sie wieder aufs Fuhrwerk. Im Morgengrauen kehrte der Fremde zum Wagen zurück, allein, und bestieg den Bock. Bevor er davonfuhr, wandte er sich den Burschen zu. «Wer ist Krabat?» Glühende Kohlen und klirrender Frost in einem. «Ich», sagte Krabat mit einem Würgen im Hals und trat vor. Der Fuhrmann betrachtete ihn und nickte. «Ist gut.» Dann schwang er die Peitsche und rumpelte mit dem Wagen davon. Der Müller verbarg sich drei Tage und Nächte lang in der Schwarzen Kammer. Am Abend des vierten Tages, das war einen Tag vor dem Weihnachtsfest, ließ er Krabat rufen. Er war in die Hitze gekommen, sein Auge glühte, das Blut war ihm zu Gesicht gestiegen. «Auch du», fuhr er ruhiger werdend fort, «kannst es ähnlich halten. Nach zwölf oder fünfzehn Jahren, in denen du auf der Mühle im Koselbruch Meister gewesen bist, suchst du dir unter den Mühlknappen einen Nachfolger aus, übergibst ihm den ganzen Kram – und bist frei für ein Leben in Pracht und Herrlichkeit.» Krabat bemühte sich, seinen klaren Kopf zu behalten.
geloben – давать обет, торжественно обещать
ermächtigen zu etw. – дать право на что-л.
eigens und ausdrücklich – специально (особенно) и недвусмысленно
in die dargebotene Hand einschlagen– пожать протянутую навстречу руку, ударить по рукам
treffen – постигать, поражать
befinden über etw. – принимать решение о чем-л.
der Versuchung widerstehen – устоять искушению
die Kraftprobe – проверка сил (померяться силами)
sich einlassen auf etw. – ввязаться во что-л.
gehorchen – подчиниться
232 Er zwang sich, an Tonda und Michal zu denken. Hatte er nicht gelobt, sie zu rächen – sie und die anderen auf dem Wüsten Plan, Worschula nicht zu vergessen, und Merten auch nicht, der zwar noch lebte mit seinem schiefen Hals: aber was für ein Leben war das? «Tonda», hielt er dem Meister entgegen, «ist tot, und Michal ist auch tot. Wer sagt mir denn, dass ich nicht der nächste bin?» «Das verspreche ich dir.» Der Müller hielt ihm die linke Hand hin. «Mein Wort darauf – und zugleich das des Herrn Gevatters, der mich zu diesem Versprechen ermächtigt hat, eigens und ausdrücklich.» Krabat schlug in die dargebotene Hand nicht ein. «Wenn es mich nicht trifft», fragte er – «trifft es dann einen andern?» Der Meister bewegte die Hand, als gelte es, etwas vom Tisch zu wischen. «Einen», erklärte er, «trifft es immer. Wir könnten von nun an gemeinsam darüber befinden, wer an die Reihe kommt. Nehmen wir einen, um den es nicht schade ist – Lyschko zum Beispiel.» «Ich kann ihn nicht ausstehen», sagte Krabat. «Aber auch er ist mein Mitgeselle, und dass ich mich schuldig mache an seinem Tod – oder mitschuldig, aber da sehe ich wenig Unterschied: dazu wirst du mich niemals bringen, Müller im Koselbruch!» Krabat war aufgesprungen, voll Abscheu schrie er den Meister an: «Mach du zu deinem Nachfolger, wen du magst! Ich will nichts zu schaffen haben damit, ich will gehen!» Der Meister blieb ruhig. «Du gehst, wenn ich dir's erlaube. Setz dich auf deinen Stuhl und hör zu, bis ich fertig bin.» Es fiel Krabat nicht leicht, der Versuchung zu widerstehen, sich jetzt schon auf eine Kraftprobe mit dem Meister einzulassen – trotzdem gehorchte er.
verwirren – сбивать с толку
jmdm. nachfühlen – чувствовать, что чувствует другой, понимать чьи-либо чувства
auf einen Vorschlag eingehen – согласиться с предложением
etwas in Kauf nehmen – быть вынужденным считаться с чем-л.
sich im Sessel zurücklehnen – откинуться на спинку кресла
eine Frist gewähren – предоставлять срок
wie es sich lebt – как живется
heute in einer Woche – через неделю
beharren – настаивать
233 «Dass dich mein Vorschlag verwirrt hat», sagte der Müller, «kann ich dir nachfühlen. Darum will ich dir Zeit geben, alles in Ruhe zu überdenken.» «Wozu?» fragte Krabat. «Es bleibt dabei, dass ich nein sage.» «Schade.» Der Meister betrachtete Krabat kopfschüttelnd. «Wenn du auf meinen Vorschlag nicht eingehst, wirst du wohl sterben müssen. Du weißt, dass im Schuppen ein Sarg bereitsteht.» «Für wen?» sagte Krabat. «Das wird sich noch zeigen müssen.» Der Meister verzog keine Miene. «Ist dir bekannt, was die Folge wäre, wenn eintreten würde, worauf du zu hoffen scheinst?» «Ja», sagte Krabat. «Ich könnte dann nicht mehr zaubern.» «Und?» gab der Meister ihm zu bedenken. «Du wärest bereit, das in Kauf zu nehmen?» Er schien einen Augenblick nachzudenken, dann lehnte er sich im Sessel zurück und sagte: «Nun gut – ich gewähre dir eine Frist von acht Tagen. In dieser Zeit, dafür sorge ich, wirst du Gelegenheit haben zu lernen, wie es sich lebt, wenn man nicht mehr zaubern kann. Alles und jedes, was du im Lauf der Jahre bei mir gelernt hast – von dieser Stunde an soll es aus und vergessen sein! Heute in einer Woche, am Vorabend des Silvestertages, werde ich dich ein letztes Mal fragen, ob du mein Nachfolger werden magst: dann wird es sich ja herausstellen, ob du auf deiner Antwort beharren willst.»
sich in die Zeit zurückversetzen – возвращаться в то время, когда …
fünf Metzen wiegen – весить пять осьмин
nichts blieb ihm erspart – судьба его не щадила: «ничто не осталось для него сбереженным» = все пришлось испытать
die Schwiele – мозоль
sich vornehmen – планировать, намереваться
sich mit einem Karren voll Steine abplagen – мучиться с повозкой камней
es dürstet ihn, seine Kehle ist ausgedörrt – его мучает жажда, его горло пересохло
der Hungerlohn – нищенская заработная плата
den Arm bis zum Ellbogen abquetschen – раздавить руку до локтя
jmdm. zukommen lassen – предоставить
Zwischen den Jahren
234Das war eine harte Woche für Krabat, er fühlte sich in die Zeit seines Anfanges auf der Mühle zurückversetzt. Jeder Maltersack, der fünf Metzen wog, wog fünf Metzen, die wollten geschleppt sein: vom Speicher zur Mahlstube, von der Mahlstube auf den Speicher. Krabat blieb nichts erspart, seit er nicht mehr zaubern konnte: kein Schweißtropfen, keine Schwiele. Abends sank er erschöpft auf den Strohsack. Er konnte nicht einschlafen, viele Stunden nicht. Wer zaubern kann, braucht nur die Augen zu schließen, er spricht eine Formel, dann schläft er schon, tief und fest, und so lang, wie er sich das vornimmt. «Mag sein», dachte Krabat, «dass ich die Fähigkeit, mich in Schlaf zu versetzen, am meisten von allem vermissen werde.» Wenn er nach langem Wachliegen endlich einschlief, quälten ihn böse Träume: die kamen gewiss nicht von ungefähr. Er konnte sich an zwei Fingern ausrechnen, wer sie ihn träumen ließ. Krabat, in abgerissenen Kleidern, plagt sich mit einem Karren voll Steine ab, den er mühsam bei glühender Sommerhitze an einem Strick über Land zieht. Es dürstet ihn, seine Kehle ist ausgedörrt. Nirgends ein Brunnen, und nirgends ein Baum, der ihm Schatten spendet. Verdammter Karren! Er muss ihn zu Ochsenblaschke nach Kamenz bringen, für einen Hungerlohn. Doch der Mensch muss von etwas leben, und seit er den Unfall hatte – in Gerbisdorf war das, da ist er ins Mahlwerk geraten, das hat ihm den rechten Arm bis zum Ellbogen abgequetscht: seither muss Krabat froh sein um jede Arbeit, die jemand wie Ochsenblaschke ihm zukommen lässt.
jmdm. behagen – быть кому-л. по душе
das Leben als Krüppel – жизнь калеки
hören auf jmdn. – слушаться кого-л.
ein ähnliches Schicksal ereilt ihn – его постигнет та же участь
hinter Kerkermauern sitzen – сидеть в тюрьме: «за стенами темницы»: der Kerker
auf den Tod verwundet – быть смертельно раненым
sich von dem Blut röten – покраснеть от крови
vor Ablauf der Frist – до истечения срока
samt Sattel und Halfter erstehen – купить вместе с седлом и недоуздком
stracks auf das nächste Dorf zu – прямиком к следующей деревне
235 Und so schleppt er sich mit dem Karren voll Steine dahin, und er hört, wie er denkt – mit der heiseren Stimme des Meisters hört er sich denken: «Wie behagt dir das Leben als Krüppel, Krabat? Du hättest es einfacher haben können und besser, wenn du auf mich gehört hättest, als ich dich fragte, ob du mein Nachfolger werden wolltest im Koselbruch! Würdest du, wenn du heute die Wahl hättest, wieder nein sagen?» Nacht für Nacht träumte Krabat, dass ihn ein ähnliches Schicksal ereilt habe. Er war alt oder krank, er saß unschuldig hinter Kerkermauern, man hatte ihn zur Armee gepresst, er lag auf den Tod verwundet in einem Kornfeld und musste zusehen, wie sich die niedergebrochenen Halme röteten von dem Blut, das aus seinen Wunden rann. Und am Schluss dieser Träume hörte er jedesmal, wie er sich mit der Stimme des Meisters fragte: «Würdest du wieder nein sagen, Krabat, wenn ich dich vor die Wahl stellte, ob du mein Nachfolger werden willst auf der Mühle im Koselbruch?» Der Meister erschien ihm nur einmal leibhaftig im Traum, das geschah in der letzten Nacht vor Ablauf der Frist, die er ihm gesetzt hatte. Juro zuliebe hat Krabat sich in ein Pferd verwandelt. Der Meister, gekleidet als polnischer Edelmann, hat ihn für hundert Gulden in Wittichenau auf dem Markt erstanden samt Sattel und Halfter: nun ist ihm der Rappe ausgeliefert. Erbarmungslos jagt der Meister ihn kreuz und quer durch die Heide, es geht über Stock und Stein, über Hecken und Wassergräben, durch Dornengestrüpp und Morast. «Gedenke, dass ich der Meister bin!» Blindlings zieht ihm der Müller die Peitsche über, er stößt ihm die Sporen ins Fleisch. Blut fließt aus Krabats Flanken, er spürt, wie es warm an der Innenseite der Schenkel hinabrinnt. «Dir werd ich's zeigen!» Linksgalopp, Rechtsgalopp – und dann stracks auf das nächste Dorf zu.